Standards zur
Akkreditierung von Wirtschaftsmathematik-Studiengängen an deutschen Universitäten:

verabschiedet auf dem Workshop „Wirtschaftsmathematik“ am 21.11.03 an der TU Clausthal

 

 

        I.      Einleitung

Seit über 25 Jahren gibt es den Studiengang Wirtschaftsmathematik in Deutschland. Er hat sich neben der Technomathematik als ein anwendungsorientierter Studiengang etabliert, der seine Absolventen und Absolventinnen in besonderer Weise auf die Anforderungen des Arbeitsmarktes vorbereitet. Typische  Berufsfelder und Branchen für Wirtschafts­mathematiker/­-innen sind außerordentlich weit gestreut. Es gehören dazu Banken und Versicherungen ebenso wie Beratungs- oder Software-Firmen und allgemein Aufgaben in Planung und Organisation von Logistik, Produktion und Vertrieb. Wirtschaftsmathematik steht dabei in Konkurrenz zu den benachbarten Studiengängen Informatik und Wirtschaftswissenschaften. Veranstaltungen aus beiden Bereichen gehören zum Programm der Wirtschaftsmathematik, der Charakter des Studiengangs wird aber durch die Mathematik geprägt.

Wirtschaftsmathematik wird heute an über  30 Standorten in Deutschland mit unterschiedlichen Ausprägungen angeboten. Die Unterschiede an den verschiedenen Standorten betreffen vor allem die Schwerpunktsetzung in den mathematischen Fächern sowie die Gewichtung der Nebenfächer Wirtschaftswissenschaften und Informatik. Darin spiegeln sich die unterschiedlichen Interpretationen des Namens „Wirtschaftsmathematik“, aber auch die unterschiedlichen möglichen Orientierungen von Absolventen und Absolventinnen.

Eine Vielfalt in der Ausgestaltung der Studiengänge ist sicher wünschenswert, auf der anderen Seite muss aber auch sichergestellt sein, dass der Abschluss „Wirtschaftsmathematik“ mit einer gewissen Qualitätsgarantie versehen ist. Dazu müssen u.a. Mindestanforderungen  bezüglich der Studieninhalte erfüllt sein. In Zukunft sollen derartige Standards bei der Akkreditierung der Studiengänge überprüft werden.

Der jährlich stattfindende „Workshop Wirtschaftsmathematik“[1], als Vertretung der wirtschaftsmathematischen Studiengänge in Deutschland, hat daher  bei seinem Treffen im  November 2002 an der TU Darmstadt beschlossen, entsprechende Standards zu erarbeiten. Dazu wurde von der TU Darmstadt eine Umfrage zu den fachlichen Mindestanforderungen unter allen Universitätsstandorten, die Wirtschaftsmathematik anbieten, durchgeführt. Auf Basis der Umfrageergebnisse wurde bei dem folgenden Treffen im November 2003 an der TU Clausthal die hier vorgelegten Standards diskutiert und beschlossen. Sie sollen als eine Richtschnur für zukünftige Akkreditierungen des fachlichen Teils der Wirtschaftsmathematik dienen.

Diese Standards sollen über die Fachgesellschaften veröffentlicht und den Akkreditierungsagenturen zur Kenntnis gebracht werden.

 


 

      II.      Die Standards für Wirtschaftsmathematik

 

Im Rahmen dieser Standards  werden die folgenden  Größen genauer spezifiziert :

1.      die fachlichen Studienbestandteile in Form grober Kategorien

2.      die Zuordnung typischer mathematischer Veranstaltungen zu den Studienbestandteilen und die Festlegung von Pflichtveranstaltungen

3.      die zeitlichen Anteile dieser Studienbestandteile am Gesamtstudienumfang.

 

II.1.           Studienbestandteile

 

Die Lehrveranstaltungen werden folgenden Kategorien zugeordnet:

M

Mathematische Grundlagenfächer

WM

Wirtschaftsmathematische Schwerpunktfächer

W

Wirtschaftswissenschaften

I

Informatik

 

 

II.2.           Zeitliche Anteile der Studienbestandteile

 

Ziel dieser Festlegungen ist es, einerseits den mathematischen Charakter des Studiengangs sicherzustellen, andrerseits den Anwendungsbezug zu garantieren, der besonders durch die Nebenfächer hergestellt wird. Der zeitliche Umfang wird in der Regel in ECTS-Punkten zu messen sein.

 


zeitlicher Anteil am Gesamtstudienumfang1)

M

    25-35 % 2)

WM

    25-35 % 2)

W

    20-30 % 3)

I

    10-25 % 3)

 

1)  ohne Berücksichtigung der Abschlussarbeit
2)  
M + MW sollten mindestens 55 % des Studienumfangs ausmachen
3)
 
W sollte mindestens  so großes Gewicht haben wie I

 

Die Abschlussarbeit wird in Mathematik oder mit einem mathematisch orientierten Thema in  Wirtschaftswissenschaften oder Informatik geschrieben.

II.3.           Zuordnung von mathematischen Studienfächern zu den Lehrveranstaltungskategorien,
Bestimmung von Pflichtveranstaltungen

 

Die folgenden Aufzählungen von Lehrveranstaltungen sind nicht abschließend gemeint, sondern können je nach den örtlichen Gegebenheiten erweitert werden.

 

Grundlagenfächer    M


Analysis I, II, III
Lineare Algebra I, II
Numerische Mathematik
Differentialgleichungen
Funktionentheorie
Funktionalanalysis
Algebra
Zahlentheorie
 …

Pflichtveranstaltungen sollten im Grundstudium mindestens umfassen:

·         Analysis I, II

·         Lineare Algebra I

·         sowie eines der Gebiete
      Numerische Mathematik   oder    Differentialgleichungen

 

 

 

Wirtschaftsmathematische Schwerpunktfächer WM

WM.I 

„Stochastische Modelle und Methoden“

WM.II

 „Optimierung / Operations Research“

WM.III 

„Finanz- und Versicherungs­mathematik“

WM.IV 

„Weitere wirtschaftsmath.
Vertiefungsfächer“

Wahrscheinlichkeits-theorie
Statistik
Stoch. Prozesse
Stoch. Simulation
Zeitreihenanalyse
Bediensysteme Entscheidungstheorie
Math.Spieltheorie

Lineare Optimierung
Diskrete Optimierung
Nicht-lin. Optimierung
Dyn. Optimierung
Kontrolltheorie

 

Finanzmathematik
Versicherungsmathe­­matik
Risikotheorie
Computational Finance
….

Graphentheorie
Kombinatorik
Kryptographie
...

Pflichtveranstaltungen  sollten mindestens sein :

·        je eine Lehrveranstaltung aus den Bereichen:      WM.I   und   WM.II

·         sowie Vertiefungen in zwei der Gebiete:              WM.I    –   WM.IV

 

 

 

II.4.           Wirtschaftswissenschaften und Informatik

In den Wirtschaftswissenschaften und der Informatik sollen die Studierenden der Wirtschaftsmathematik einen Überblick über die Grundfragestellungen, die Begriffe und Methoden des Faches erhalten.

Angesichts der steigenden Bedeutung, die die Informatik gerade auch für die Wirtschaftsmathematik erhält, sollte ein Mindestumfang von 10 % am Gesamtumfang nicht unterschritten werden.

Dabei ist das Fach „Wirtschaftsinformatik“ je nach den Gegebenheiten des Standorts der Informatik oder den Wirtschaftswissenschaften zuzuordnen.

 

II.5.           Zuständigkeiten und Federführung

Die Zuständigkeit für die Ausfüllung der mathematischen Bereiche M und WM sollte im Fach Mathematik liegen, die für W bzw. I in Wirtschaftswissenschaften bzw. Informatik.

Die Verantwortung für den ganzen Studiengang sollte bei der Mathematik liegen.



[1] siehe auch www.wimath.de