KONFERENZ DER MATHEMATISCHEN FACHBEREICHE

KMATHF
Richtlinien und Empfehlungen
zu Bachelor- und Masterstudiengängen
in der Mathematik

Mathematik ist die Basis und der Schlüssel für moderne Hochtechnologien. Nicht nur in Natur- und Ingenieurwissenschaften, sondern auch in Bereichen wie Informatik, Wirtschafts- und Finanzwissenschaften oder in der Medizin kommen zunehmend mehr mathematische Erkenntnisse und Methoden zum Einsatz. Auch theoriebezogene Mathematik gewinnt zunehmend in Anwendungen an Einfluss, wie z.B. algebraische Geometrie in der Robotik oder in der Kryptographie. Im Hinblick auf die vielfältigen Berufsmöglichkeiten für Mathematiker und Mathematikerinnen ist eine solide, anspruchsvolle Ausbildung, die breite Grundkenntnisse und wissenschaftliche Arbeitsmethoden vermittelt, unbedingt notwendig, so wie dies bei den Diplomstudiengängen in Mathematik garantiert ist. Die Berufsaussichten sind dann hervorragend.

Die Bachelor/Masterstudiengänge sind gestufte wissenschaftliche Studiengänge, die mehr Kombinationsmöglichkeiten als die traditionellen Diplomstudiengänge zulassen und stärker international orientiert sind. Sie tragen sowohl dem gestiegenen Bedarf an wissenschaftlich ausgebildeten Fachkräften mit Zusatzqualifikationen als auch den wachsenden Berufsfeldern, in denen mathematische Kompetenz benötigt wird, Rechnung.

Hier sollen einige Richtlinien und Empfehlungen ausgesprochen werden, die bei der Einrichtung von Bachelor/Masterstudiengängen an mathematischen Fachbereichen der Universitäten zu beachten sind. Es handelt sich um forschungsorientierte Studiengänge, die auf eine große Bandbreite von beruflichen Tätigkeiten vorbereiten.

I. Strukturvorgaben

II. Ausbildungsziele

III. Allgemeine Qualitätsstandards

  1. Aufnahmebedingungen
    Die Aufnahmebedingungen für das Bachelorstudium sind die gleichen wie für das herkömmliche Diplomstudium.
    Die Aufnahmebedingungen für das Masterstudium sind in der Regel ein qualifizierter Bachelorabschluss und gegebenenfalls ein Eignungstest oder eine Aufnahmeprüfung. Für ausländische Studienbewerber sind geeignete Zulassungsverfahren zu entwickeln, z.B. was Vorkenntnisse und sprachliche Voraussetzungen angeht. Werden interdisziplinär angelegte Masterstudiengänge angeboten, so ist in der Prüfungsordnung festzulegen, welche Bachelorstudiengänge als Vorleistung anerkannt werden. Das Masterstudium kann unmittelbar im Anschluss an ein Bachelorstudium, nach einer mehrjährigen Phase im Beruf oder z.B. nach einer familienbedingten Pause aufgenommen werden.
  2. Prüfungen
    Zu jedem Modul ist eine Prüfungsleistung in Form einer mündlichen Prüfung und/oder einer Klausur zu erbringen. Die Prüfungsleistungen werden jeweils benotet und mit entsprechenden Kreditpunkten gemäß ECTS gewichtet. Einzelheiten sind in der Prüfungsordnung festzulegen. Zum Bachelorstudium gehört eine Abschlussarbeit, die z.B. aus einem Seminar heraus entstehen kann, oder ein Praxisprojekt, das dann in einer schriftlichen Arbeit dokumentiert wird. Zum Masterstudium gehört eine schriftliche Masterarbeit, die mit der herkömmlichen Diplomarbeit vergleichbar ist.
  3. Benotungen
    Die Noten können wie üblich vergeben werden. Zusätzlich kann eine Umrechnung in eine europäische Notenskala nach folgenden Richtwerten angegeben werden.
          A: excellent1,0-1,29
    sehr gut:1,0-1,3     B: very good  1,3-1,59  
    gut:1,7-2,3    C: good  1,6-2,59
    befriedigend:2,7-3,3     D: satisfactory   2,6-3,59  
    ausreichend: 3,7-4,0       E: sufficient 3,6-4,09
    Nicht bestanden: 5,0     F: fail > 4,1
    Rundungsregelungen und Regelungen bezüglich der Gesamtnote sind in der Prüfungsordnung festzulegen.
  4. Akademische Grade
    Es kann der Grad Bachelor of Science (B.Sc.) mit oder ohne fachlichen Zusatz verliehen werden. Analoges gilt für den Mastergrad (M.Sc). (Deutsche Bezeichnungen oder Sprachkombinationen wie "Master of Science in Wirtschaftsmathematik" sind nicht zulässig.)
  5. Praktika und allgemeinbildende Kurse
    Es sollte mindestens ein Projekt durchgeführt oder ein Industrie- oder Fachpraktikum absolviert werden, vorzugsweise in der vorlesungsfreien Zeit. Hochschulzentral sollten Wochenendseminare, in denen die Studierenden Rhetorik, Gruppendynamik, Vertragsrecht oder Ähnliches lernen können, sowie Sprachkurse angeboten werden.
  6. Studierbarkeit
    Es sollten genügend Beratungsangebote und Möglichkeiten des kritischen Dialogs zwischen Lehrenden und Studierenden vorhanden sein. Auslandsstudienaufenthalte sollten nach Möglichkeit so in das Studium integrierbar sein, dass kein Zeitverlust entsteht. Auf eine ausgewogene Betreuungsrelation und einen zumutbaren Arbeitsaufwand für Studierende ist zu achten. Die Teilnehmerzahl in den Übungsgruppen sollte grundsätzlich nicht höher als 20 sein.
  7. Studiendauer
    Bei der Festlegung von Regelstudienzeiten wird von ganzjährigen Zyklen mit einer Studiendauer von fünf Jahren für ein konsekutives Bachelor/Masterstudium ausgegangen. In Mathematik empfiehlt sich eine Regelstudienzeit von drei Jahren für das Bachelorstudium und von zwei Jahren für das Masterstudium.
  8. Umsetzungskompetenz der Ausbildungsziele
    Es ist empfehlenswert, einen Struktur- und Entwicklungsplan mit Lehrkapazitäten, möglichen Lehrexporten und -importen sowie Forschungsschwerpunkten und Forschungsstärken zu erstellen, um mit Hilfe dessen ein attraktives Studienangebot zu gestalten. Das Masterstudium sollte in mindestens einem mathematischen Teilgebiet an den Stand der Forschung heranführen. Wichtig ist auch, dass genügend Computer-Arbeitsplätze für die Studierenden zur Verfügung stehen.
  9. Evaluation des Studienerfolgs
    Eine Evaluation während des Studiums geschieht durch ständigen Dialog mit den Studierenden. Eine Evaluation des Studienerfolges geschieht z.B. durch Absolventenbefragungen.
  10. Akkreditierung
    Die Genehmigung von Bachelor- und Masterstudiengängen durch das zuständige Ministerium wird in der Regel von einem erfolgreich durchlaufenen Akkreditierungsverfahren abhängig gemacht. Es empfiehlt sich, zunächst in einer Voranfrage beim Ministerium zu klären, ob der geplante Studiengang mit der Hochschulplanung des Landes kompatibel ist, und dann eine Akkreditierungsagentur mit der Einleitung des Verfahrens zu beauftragen. Dabei muss die Agentur selbst durch den Akkreditierungsrat akkreditiert worden sein. Die Kosten des Verfahrens hat die Universität zu tragen. Die Akkreditierung erfolgt grundsätzlich zeitlich befristet (etwa Regelstudienzeit + 2 Jahre). Ein späteres Reakkreditierungsverfahren ist dann weniger aufwendig als das erste.

IV. Curriculare Qualitätsstandards

  1. Mathematische Grundausbildung
    Obligatorisch für ein Bachelorstudium in Mathematik sind die Vorlesungen Analysis I,II,III, Lineare Algebra I,II, Algebra I, Numerische Mathematik I und Stochastik I oder gleichwertige Veranstaltungen, jeweils mit Übungen, sowie die Teilnahme an mindestens einem Seminar, einem Praktikum mit Computereinsatz und einem Industrie- oder Fachpraktikum. Je nach Profil des angebotenen Studiengangs können zusätzlich Numerische Mathematik II und/oder Stochastik II oder andere Vorlesungen wie z.B. Mathematisches Modellieren verbindlich vorgeschrieben werden. Bei einem Kombinationsstudiengang wie Techno- oder Wirtschaftsmathematik oder einem Studiengang mit einem außermathematischen Hauptfach können die Anforderungen auch mehr in Richtung Analysis, Numerik oder Stochastik verschoben sein.
  2. Schwerpunktbildung
    Nach dem zweiten Studienjahr setzt eine Phase der Schwerpunktbildung ein. Hierzu sollten die Studierenden einen Mentor konsultieren, der sie kompetent über die angebotenen Möglichkeiten des Fachbereichs berät (z.B. über weiterführende Vorlesungen wie nicht-kommutative Algebra oder algebraische Geometrie oder Numerik partieller Differenzialgleichungen oder Optimierungsmethoden).
  3. Masterstudium
    Bei einem konsekutiven Bachelor/Masterstudiengang dient das zweijährige Masterstudium der fachlichen Vertiefung und Spezialisierung, wobei an Vorlesungsveranstaltungen und an mindestens zwei Seminaren teilzunehmen ist. Das zweite Jahr dient insbesondere der Vorbereitung und der Anfertigung der Masterarbeit. Das Thema der Masterarbeit kann auch in einem Grenzgebiet liegen, z.B. zwischen Mathematik und Fächern wie Informatik, Wirtschaftswissenschaften, Physik oder Ingenieurwissenschaften. Falls das Thema in einem außermathematischen Spezialgebiet liegt, ist klarzustellen, dass das Studium mit dieser Fächerkombination als konsekutiv anzusehen ist und somit sein erfolgreicher Abschluss zur Aufnahme eines Promotionsstudiums qualifiziert.
    Es ist angeraten, Masterstudiengänge, die der fachlichen Vertiefung und Spezialisierung dienen, nur dann einzurichten, wenn ein entsprechender Bachelorstudiengang vorhanden ist. Andererseits kann ein Hybrid-Masterstudiengang als interdisziplinäre Weiterbildungsmöglichkeit unabhängig von der Existenz eines Bachelorprogramms angeboten werden. Bei diesem Studiengang wird nach dem Bachelorstudium noch ein neues fachliches Gebiet erschlossen. Dies soll aber nicht einfach die Addition zweier Fächer sein, sondern es soll sich dadurch eine neue Qualität des Wissens ergeben (denkbar ist z.B. das Studium mathematischer Methoden in der Chemie nach einem Bachelorabschluss in Informatik). Solche Hybrid-Masterstudiengänge gewinnen im Hinblick auf die Notwendigkeit lebenslangen Lernens an Bedeutung; sie qualifizieren aber nicht unbedingt zur Aufnahme eines Promotionsstudiums.
  4. Nebenfächer
    Für den Bachelor/Masterstudiengang sollte mindestens ein außermathematisches Nebenfach obligatorisch sein, da hierdurch Zusatzqualifikationen für die spätere Berufstätigkeit erworben werden. Denkbar sind naturwissenschaftliche, technische, wirtschaftswissenschaftliche Fächer oder Informatik, aber auch geisteswissenschaftliche Fächer wie z.B. Sprachwissenschaften. Die Anforderungen sind mit dem jeweils beteiligten anderen Fachbereich abzusprechen.
  5. Semesterwochenstunden (SWS)
    In der Regel werden Vorlesungen mit 4+2 SWS angeboten (d.h. vier Vorlesungsstunden und zwei Übungsstunden in jeder der rund 28 Lehrveranstaltungswochen im Jahr). Ein Bachelorstudium in Mathematik sollte insgesamt ungefähr 90 SWS für Vorlesungen mit Übungen zuzüglich 12 bis 20 SWS im Nebenfach umfassen. Eine von vielen möglichen Aufteilungen ist die folgende; andere Beispiele werden in einem Anhang bereitgestellt.

    JahrVorlesungen (4+2)Ergänzung SWS
    1.Analysis I,II
    Lineare Algebra I,II

    Nebenfach (12 SWS)
    36
    2.Analysis III + Wahlpflicht
    Algebra I + Wahlpflicht
    Numerik I + Stochastik I
    36
    3.5 x Wahl(pflicht) Seminar (2 SWS)32

    Die Studierenden haben zusätzlich noch die Praktika zu absolvieren und im 6.Semester die Bachelorarbeit anzufertigen. Ein Bachelorstudium mit außermathematischem Schwerpunkt sollte insgesamt mindestens 60 SWS in Mathematik enthalten.

    Für das Masterstudium ist zum Beispiel folgende Aufteilung möglich.

    JahrVorlesungen (4+2)Ergänzung SWS
    4.3 x Wahlpflicht zur Vertiefung
    + 1 x Spezialisierung
    Nebenfach (12 SWS)36
    5.2 x Spezialisierung 2 Seminare (4 SWS)16

    Hierbei sollte das Nebenfach ein Anwendungsgebiet der Mathematik sein, das in der Regel auf das im Bachelorstudium gewählte außermathematische Nebenfach aufbaut. In Ausnahmefällen kann nach Rücksprache mit dem Mentor auch ein anderes zum Studienkonzept passendes Anwendungsgebiet der Mathematik als Nebenfach gewählt werden.

  6. Modularisierung
    Es ist zu empfehlen, die Module nicht zu klein zu gestalten, da dies die meist ohnehin schon sehr hohe Prüfungsbelastung der Lehrenden noch erhöhen würde. Andererseits sollten die Module im Hinblick auf die angestrebte Durchlässigkeit auch nicht zu groß sein. Bei der Beschreibung der Module sollte möglichst deutlich werden, wie sie zur Erreichung der Ausbildungsziele beitragen. Allgemein kann man u.a. folgendes sagen: In den Vorlesungen werden fundierte Fachkenntnisse erworben; die Seminare dienen dem Erwerb von Kommunikationsfertigkeiten und Lernstrategien; durch die Übungen und Praktika werden das Analysieren und Lösen von Problemen sowie Teamarbeit gelernt; durch die Bachelorarbeit werden die Studierenden mit wissenschaftlichen Arbeitsmethoden vertraut gemacht; beim Anfertigen der Masterarbeit wird die Fähigkeit zur selbständigen wissenschaftlichen Arbeit erworben. Hierbei sind fachkundige Literaturrecherchen im Internet miteinbezogen. Sprachkurse verbindlich vorzuschreiben, ist in der Mathematik nicht angezeigt, da sich die nötigen Sprachkenntnisse beim Studium der meist englischsprachigen Fachliteratur und Internetskripte sowie in diversen Vorlesungen, Kolloquien oder Seminaren von selbst ergeben. Bei der Modularisierung ist den Fachbereichen sehr viel Spielraum gegeben. Hier ist ein Beispiel mit 10 Modulen für die Modularisierung eines Bachelorstudiengangs in Mathematik:

    ModulBasisAufbauWeiterführend Bachelorarbeit
    AnalysisAnalysis I,II Analysis III + Wahlpflicht Wahlmöglichkeiten
    (für Vorlesungen und Seminare)
    im 6.Semester: Seminar, Praktikum oder Projekt mit anschließender Abschlussarbeit
    Algebra / Geometrie Lin.Algebra I,II Algebra I + Wahlpflicht
    Num.Math. / StochastikPraktikum mit ComputereinsatzNumerik I + Stochastik IWahlmöglichkeiten
    Nebenfach Wahlpflicht Wahlmöglichkeiten  

    Für einen Masterstudiengang kommen dann noch Vertiefungs- und Spezialisierungsmodule hinzu.

  7. Kreditpunkte
    Bei der Vergabe von Kreditpunkten sollte man sich am European Credit Transfer System (ECTS) orientieren. Man könnte für eine Veranstaltung von 4+2 SWS acht bis zehn Punkte und für ein zweistündiges Seminar vier bis sechs Punkte vergeben, um dann zusammen mit der Bewertung der Praktika und der Bachelorarbeit auf etwa 180 Punkte für ein erfolgreiches Bachelorstudium zu kommen. Ein Masterstudium ergibt dann noch einmal ungefähr 120 Punkte.
  8. Profilbildung
    Für Fachbereiche, die einen Bachelor/Masterstudiengang einrichten möchten, ergibt sich durchaus eine Chance, ein neues attraktives Studienprogramm gemäß eigener Forschungsstärken und Lehrqualitäten gestalten zu können.

Verabschiedet von der Plenarversammlung der KMathF am 11.05.2002 in Göttingen

Anhang

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