1. Aufgaben und Ziele
Im Mathematikunterricht sollen die Kinder so gefördert werden,
dass sie
- mathematische Fertigkeiten verständig erwerben,
- Grundkenntnisse über Zahlen, Formen und Grössen
gewinnen,
- Fähigkeiten zur Lösung mathematischer Probleme
entwickeln,
- positive Einstellungen zum mathematischen Arbeiten aufbauen.
Der Mathematikunterricht leistet darüber hinaus einen
fachspezifischen Beitrag zur allgemeinen Denkerziehung, indem er viele
Möglichkeiten eröffnet, die Kinder in den folgenden grundlegenden
Fähigkeiten zu fördern:
Die Kinder sollen lernen,
- kreativ zu sein:
nach Gesetzmässigkeiten und Mustern Ausschau halten, Vermutungen
äussern, selbständig Lösungswege suchen, einen Gedanken oder eine
Aufgabe variieren oder fortsetzen, einen Plan entwerfen, eine Regel
vorschlagen, Beispiele zu einer Gesetzmässigkeit finden, einen
Gedanken auf etwas anderes, Verwandtes, übertragen, eine Aufgabe
erfinden, Muster aus Formen oder Zeichen herstellen, ...
- zu argumentieren:
Aussagen begründen, Behauptungen überprüfen, Begründungen verlangen,
nach weiteren Informationen fragen, zwischen Vermutungen und
begründeten Aussagen unterscheiden, sich an Vereinbarungen halten,
Regeln konsequent anwenden, Widersprüche aufdecken, Widersprüche
nicht hinnehmen, auf Gegenargumente eingehen, ...
- zu mathematisieren:
Daten aus der Umwelt gewinnen (zählen, messen, schätzen, befragen,
nachlesen,...), sachbezogene Fragestellungen entwickeln, reale
Phänomene geeignet vereinfachen, Zusammenhänge der Realitat in
mathematische Begrifle übersetzen, mathematische Ergebnisse und
Begriffe in die Realitat hineindeuten, Grenzen der
Mathematisierbarkeit erkennen, ...
Dabei werden zugleich geistige Vorgehensweisen entwickelt, die über
den Mathematikunterricht hinaus Bedeutung für das tägliche Leben
haben: klassifizieren, anordnen und umordnen, verallgemeinern,
spezifizieren, Entsprechungen aufdecken, Übertragungen versuchen,
schematisieren, ökonomisch darstellen.
Über die stetige Entwicklung kognitiver Fähigkeiten hinaus
muss der Mathematikunterricht auch emotionale Erfahrungen
ermöglichen und die Kinder in ihrem sozialen Verhalten
fördern.
1.1 Fertigkeiten
Rechnen ist die wichtigste mathematische Fertigkeit. Ihr Erwerb
bedarf stetiger und systematischer Bemühungen. Am Ende der
Grundschulzeit sollen alle Kinder die vier Grundrechenarten
mündlich und schriftlich sicher und geläufig ausführen
und anwenden können.
Rechnen ist jedoch nicht Selbstzweck; es steht im Dienste der
Entwicklung begrifflichen Denkens und des Lösens von Problemen.
Deshalb darf es sich nicht auf Routinerechnen beschränken,
sondern muss auf Einsicht und Wirklichkeitserschliessung angelegt
sein.
Weitere Fertigkeiten, die im Mathematikunterricht vermittelt und
geübt werden, sind: praktische Fertigkeiten (Messen, Wiegen,
Falten, ...), zeichnerische Grundfertigkeiten, Abschätzen von
Zahlen und Grössen in realen Situationen, Lesen und Anfertigen
einfacher graphischer Darstellungen, Sortieren und Anordnen von Daten,
übersichtliches Darstellen und Beschreiben von Lösungswegen.
1.2 Kenntnisse
Mathematische Fertigkeiten sind auf gedächtnismässig
verfügbares Wissen (Rechnen z. B. auf Basissätze des "1
+ 1" und "1 × 1") angewiesen. Auch
Problemlösen macht abrufbares Wissen nötig. Deshalb
müssen die Kinder einen Grundbestand an ständig
verfügbaren Kenntnissen über Zahlen. Formen und Grössen
erwerben.
1.3 Fähigkeiten
Der Mathematikunterricht soll die Kinder befähigen, mathematische
Probleme zielgerichtet anzugehen und zu lösen. Dabei soll er nach
Möglichkeit von problemhaltigen Situationen in der
Lebenswirklichkeit der Kinder ausgehen.
Problemlösen setzt verfügbare Fertigkeiten und Kenntnisse
voraus. Es erfordert darüber hinaus das Wahrnehmen und Verstehen
der jeweiligen Situation und das Abrufen und Nutzen der Fertigkeiten
und Wissenselemente im Hinblick auf die Fragestellung. Deshalb
müssen im Unterricht einfache und grundlegende
Lösungsstrategien entwickelt, bewusstgemacht und eingeübt
werden (z. B. in Teilschritten vorgehen, sich an eine ähnliche
Aufgabe erinnern, eine Lösungsskizze anfertigen).
1.4 Einstellungen
Der Unterricht soll bei den Kindern eine
positive Einstellung zur Mathematik aufbauen. Er muss deshalb Sorge
tragen, dass die Kinder Vertrauen in ihre Denkfahigkeit und Freude am
Denken gewinnen. Hierzu ist es hilfreich, der kindlichen Wissbegier
durch problemhaltige Arbeitsangebote und der kindlichen Lust am Spiel
und an der Bewegung durch spielerische und handlungsbetonte
Arbeitsformen entgegenzukommen. Vor allem aber müssen die Kinder
im Mathematikunterricht erfahren, dass sie etwas können. Schulung
der Rechenfertigkeit bis zur Geläufigkeit ist dazu eine wichtige
Voraussetzung, ebenso das Anhalten der Kinder zu leserlichem und
übersichtlichem Schreiben. Die Kinder sollen lernen,
Informationen und Arbeitsergebnisse selbständig zu
überprufen. Es ist deshalb wichtig, Möglichkeiten der
Selbstkontrolle mit ihnen zu erarbeiten
1.5 Soziales Lernen
Der Mathematikunterricht bietet viele Möglichkeiten, soziales
Verhalten zu fördern. Beim Lösen von Aufgaben im
Klassenverband wird die Brauchbarkeit von Lösungsvorschlägen
geklärt oder werden Fehler auf ihre möglichen Ursachen hin
besprochen. Partner- und Gruppenarbeit bieten Möglichkeiten,
Probleme gemeinsam zu lösen und aufeinander Rücksicht zu
nehmen.
Die Kinder werden darin geubt, aufeinander zu horen, sachlich zu
kritisieren, Ergebnisse zu vergleichen, gemeinsam eine Aufgabe zu
bearbeiten sowie eigene Lösungsversuche und die anderer zu
überprüfen, zu verteidigen und in Frage zu stellen. Die
Kinder lernen, eigene Verständnisschwierigkeiten in der Gruppe
auszusprechen, die Lernprobleme der Mitschüler ernst zu nehmen,
die Hilfe anderer zu erbitten und selbst zu helfen. Im
Mathematikunterricht können auch "stille" Kinder oder
Kinder mit sprachlichen Defiziten bei entsprechenden
Aufgabenstellungen Erfolge haben.
Der Mathematikunterricht steht aber auch immer in der besonderen
Gefahr, die soziale Dimension des Lernens nicht genügend zu
beachten. Allzu ausgedehnte Übungen in Stillarbeit bieten z.
B. zu wenige Anlässe zum Gespräch. Wird der formalistische Aspekt
des Übens überbetont, so bleiben subjektive Erfahrungen und
die Lebenswirklichkeit der Kinder unbeachtet. Die im
Mathematikunterricht häufigen Urteile "falsch" und
"richtig" können die soziale Koedukation hemmen, wenn
die Ursachen von Fehlleistungen nicht hinreichend geklärt und
z. B. Fehler nur als Folge mangelnden Fleisses angesehen werden.